Der Kreistag hat in seiner Sitzung am Donnerstag einstimmig (zwei Enthaltungen) den Haushalt für das Jahr 2023 mit einem Gesamtvolumen von 712,8 Millionen Euro verabschiedet. Im Mittelpunkt der Sitzung standen die Haushaltsreden der Fraktionen.
Die Kreisverwaltung kann 2023 mit einem Etat in Höhe von 712,8 Millionen Euro planen. Die Mitglieder des Kreistages stimmten in ihrer jüngsten Sitzung im Kulturhaus Lüdenscheid (bei zwei Enthaltungen) für den Haushalt. Übereinstimmend wurde die interfraktionelle, konstruktive Zusammenarbeit im Kreistag gelobt.
Meininghaus: „Nicht hinnehmbare Belastung“
Karsten Meininghaus, Fraktionsvorsitzender der CDU, blickte unter anderem auf die Situation rund um die gesperrte A45-Talbrücke Rahmede: „Heute vor 53 Wochen wurde die Rahmede-Talbrücke gesperrt und Lüdenscheid sowie die umliegenden Städte und Gemeinden in ein Verkehrschaos gestürzt. Aus den vollmundigen Versprechungen der Bundesregierung, den Abriss und Neubau zu beschleunigen, ist leider nicht viel übriggeblieben. Noch nicht einmal die zugesagte Sprengung konnte in diesem Jahr vollzogen werden. Ich habe nicht den Eindruck, dass an den entscheidenden Stellen in Berlin der Ernst der Lage angekommen ist. Was für viele von uns eine Lästigkeit ist, wenn sie zu Gremiensitzungen nach Lüdenscheid müssen, ist für die Anwohner, Betriebe, Vereine, Sport- & Kulturlandschaft eine nicht hinnehmbare Belastung.
Während die Einwohner mit echten Einschnitten in der Lebensqualität – teilweise sogar gesundheitlichen Einbußen – konfrontiert sind, implodiert hier … ein Wirtschaftsstandort. Die ohnehin schon angespannte Personalsituation vieler Unternehmen verschärft sich hierdurch noch.“
Rothstein: „Gutes ÖPNV-Angebot unerlässlich“
Wolfgang Rothstein, Fraktionsführer der SPD, bezog unter anderem Stellung zum Öffentlichen Personennahverkehr: „Ein gutes ÖPNV-Angebot ist für die Menschen, die Betriebe und den Standort Märkischer Kreis in einer immer globaler werdenden Welt unerlässlich. Daher will die SPD-Kreistagsfraktion den ÖPNV auch weiterhin stärken und vom reinen angebotsorientierten zu einem nachfrageorientierten Dienstleistungsangebot umstrukturieren. Wir sind daher froh, dass das Pilotprojekt On Demand in Meinerzhagen aller Voraussicht nach endlich im Ende März 2023 starten wird. … Wir gehen davon aus, dass die MVG dieses Projekt zeitnah, verständlich sowie gut bewerben wird, damit es dementsprechend auch gut angenommen wird. Und dann hoffentlich auch weiter ausgebaut werden kann. (…)
Von Bund und Land erwarten wir, dass sie den ÖPNV endlich mit den dafür erforderlichen Mitteln ausstatten und auch für die vermutlich auftretenden Mehrkosten infolge des 49-Euro-Tickets vollumfänglich aufkommen. Gleichzeitig erwarten wir, dass das Land zeitnah das seit dem Sommer diskutierte Pendant zum 49 Euro-Ticket, das „NRW-Ticket“, auf den Weg bringt.“
Held: „Bauen und Lücken schließen“
Über das Fahrradfahren als umweltfreundliche Alternative erklärte Oliver Held, Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen: „Mehr als 30 Prozent des Verkehrs lässt sich vom Auto auf das Fahrrad verlagern, wenn die Voraussetzungen stimmen. Und bei uns stimmen sie nicht. Wir leben, was das Radfahren angeht, in der Steinzeit. Wir müssen und werden das ändern. Wichtig ist: Ab heute haben wir einen Plan dafür. Einen Masterplan sogar. Was zählt: Wir müssen bauen und eine Lücke nach der anderen schließen. Das geht nur zusammen. Und wir brauchen auch hier zusätzliches Personal.“
Held bezog sich damit auf den vom Kreistag auf den Weg gebrachten „Masterplan Radverkehrsnetz“. Der Märkische Kreis will gemeinsam mit den Städten und Gemeinden die Radinfrastruktur stärken und kontinuierlich verbessern. Die Ziele sind klar: sichere und komfortable Radwege auch über Kommunen hinweg zu bauen sowie touristische und überregionale Radverbindungen zu erschließen, wie zum Beispiel die Lenneroute oder den Volmetal-Radweg. „Es freut mich sehr, dass wir das als gemeinsame Aufgabe angehen wollen“, sagte Oliver Held.
Hoffmann: „Respekt und Anerkennung für Ehrenamtliche“
FDP-Fraktionschef Axel Hoffmann sagte in seiner Haushaltsrede im Kulturhaus in Lüdenscheid: „Das Dienstleistungsunternehmen Märkischer Kreis hat funktioniert und dafür gebührt der Dank den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kreisverwaltung, und zwar unabhängig von Amt und Person. Respekt und Anerkennung zudem für die vielen Ehrenamtlichen bei Feuerwehr, Tafeln, Bürgerbussen, Flüchtlingshilfen und vielen anderen. Wichtig ist zudem: Die Zusammenarbeit der Fraktionen untereinander und mit der Verwaltung war unabhängig politischer Standorte von hoher Selbstdisziplin und Verantwortung getragen.“
Axel Hoffmann warf auch einen Blick in die Zukunft: Perspektivisch werde die Region in den nächsten Jahren voraussichtlich bis zu 15 Prozent seiner gegenwärtigen Einwohner verlieren. „Deshalb sind der Öffentliche Personennahverkehr und der Individualverkehr ebenso unverzichtbar, wie ein für Arbeitsplätze, Gesundheitsversorgung sowie Aus- und Weiterbildung attraktiver Märkischer Kreis.“
Gertitschke: „Entlastung sollte auch in den kommenden Jahren andauern“
Walter Gertitschke von der Unabhängigen Wählergemeinschaft (UWG) im Märkischen Kreis erklärte: „Ich hätte mir vor drei Jahren diese Multi-Krisenlage nicht vorstellen können. Die Jahrhundertflut, Corona, Flüchtlinge, Mangel an Facharbeiterinnen und Facharbeitern, Krieg in der Ukraine und Energiekrise, Preissteigerungen, Inflation und eine kaputte Rahmede-Talbrücke lassen wenig Aussicht auf Normalität hoffen.“
Die angespannte Lage würden auch die kreisangehörigen Städte und Gemeinden spüren. Gertitschke: „Die geraten vermehrt in finanzielle Not. Eine Forderung nach Minderung der Kreisumlage ist nicht zu überhören. Dieser Forderung wurde durch Entnahme von 15 Millionen Euro aus der Ausgleichsrücklage und zusätzlicher Isolierung von Pandemie- und Kriegskosten entsprochen. Die UWG-Fraktion begrüßt diesen ersten kreislagewirksamen Ansatz zugunsten unserer Kommunen ausdrücklich. Diese Entlastung sollte auch in den kommenden Jahren andauern. Dafür werden wir uns einsetzen.“
Huff: „Brückensperrung heftiger Schlag ins Kontor“
Die Kreistagsmitglieder der Fraktion „Die Linke“ enthielten sich bei der Abstimmung über den Kreishaushalt 2023. Als Fraktionsvorsitzender erklärte Manuel Huff unter anderem in Bezug auf die seit einem Jahr andauernde A45-Lage: „Die Brückensperrung ist ein heftiger Schlag ins Kontor. So eine Situation fällt aber nicht einfach vom Himmel, sondern ist eine Folge politischen Handelns oder besser gesagt: Nichthandelns. Unsere Region muss das ausbaden. Das ist ein großes Problem und völlig indiskutabel – für die Menschen und die hiesigen Unternehmen.“
Manuel Huff kritisierte, dass der Kreistag dem Antrag der Fraktion „Die Linke“, die jährliche Steigerung der Elternbeiträge für Kinderbetreuung in Höhe von 1,5 Prozent in Folge steigender Energiekosten und einer hohen Inflation auszusetzen, mehrheitlich abgelehnt hatte. Dass der Antrag nicht einmal den Ansatz einer Mehrheit habe bringen können, sei enttäuschend.
Laatsch: „Sparen ja, aber an den richtigen Stellen“
Klaus Laatsch, Fraktionsvorsitzender der AfD, erklärte, der Märkische Kreis sei gebeutelt. „Es fing mit der Flüchtlingskrise an, danach kamen die Corona‑, Energie- und Verkehrskrise hinzu. Jetzt entwickelt sich die erneute extreme Flüchtlingskrise zu einer Finanzkrise mit nachhaltiger Schädigung des Standorts Märkischer Kreis. Brückensperrung, Arbeitsplatzverlagerung, Fachkräftemangel sind die Dinge, die wir jeden Tag spüren.“
Laatsch nahm auch Stellung zur Kreisumlage. Die finanzielle Belastung der Kommunen sei „sehr hoch“. „Daher fordern wir, die Ausgleichsrücklage stärker als angedacht in Anspruch zu nehmen, aber an den richtigen Stellen. (…) Sparen „ja“, aber an der richtigen Stelle muss der Tenor der Stunde sein.“
Die Kreistagssitzung fand im Kulturhaus Lüdenscheid statt. Foto: Alexander Bange / Märkischer Kreis